Mit Kindern konnte Beppo schon immer gut umgehen. Während Erwachsene meistens eine „natürliche“ Scheu vor Künstlern entwickelten, akzeptierten Kinder Beppo als ihresgleichen. Ob Großveranstaltung oder Volksfest, mit den Kleinen passierten die lustigsten Dinge.
Eine kleine Kostprobe: Gastspiel im tiefsten Sachsen, im Dresdner Raum. Absperrungen und Ordnungskräfte, mehr als ein Künstler haben will. Sehr freundlicher Empfang, die Show lief. Mitten in der Show ging Beppo mit seinem Funkmikrofon ins Publikum. Ein Kind, knapp vier Jahre alt, stürmte auf ihn zu und zupfte während der Moderation an seiner Hose. Die Mutti rannte aufgeregt hinterher.
„Schakeliene (Jaqueline), du sollst doch nicht ...“
Beppo wehrte sie ab. „Lassen Sie sie doch.“ Zum Kind: „Guten Tag, ich heiße Beppo, und wie heißt du?“ Im herrlichsten Sächsisch sprach das Mädchen seinen Namen ins Mikro: „Ich heiße Schakeliene. Sag mal, warum hast du keine Haare auf dem Kopf?“ Das amüsierte die Leute. Wie kann man einen Star nach dem Grund so eines Makels fragen? Er kniete sich zur Kleinen hinunter und wurde im Klang der Stimme auch vierjährig.
„Na, damit ich im Schwimmbad keine Badekappe brauche.“ Lacher. Jaqueline fragte unbeeindruckt nach.
„Kannst du denn schon schwimmen?“
„Ja, aber ich trau mich nur im Planschbecken.“
„Da musst du aufpassen, der Ronny hat da mal reingepullert. Hast du da auch schon mal reingepullert?“ Die ersten Lachtränen.
„Nein, noch kann ich's halten.“ So etwas kann man nicht erfinden. Kinder sind Lehrmeister des Clowns.
Jahre vor der TV-Karriere erkannte der Cottbuser KGD-Chef Karl Eggebrecht Beppos Talent, mit Kindern umzugehen. „Sie müssen unbedingt ein Programm für Kinder machen“, schlug er bei einer Veranstaltung vor. Zwei Monate später stellte Beppo sein einstündiges Kinderprogramm vor: „Der Meister Ton macht die Musik“.
...
Am Ende erhielt ein Kind den Goldtaler, Beppo für sein Programm eine Goldmedaille von der Jury der Unterhaltungskunst-Leistungsschau der DDR und dann als goldigen Abschluss noch ein Angebot der Stadthalle Cottbus. Und mit diesem Angebot hängt die nächste Geschichte zusammen. Sie ist einfach unglaublich. Und doch ist sie genau so geschehen.
Beppo hatte sich unter den Unterhaltungskünstlern und Machern in Cottbus schon einen kleinen Namen gemacht. Vor allem nach der Goldmedaille, der ersten Medaille einer Unterhaltungs-Leistungsschau überhaupt für seine Heimatstadt. Dennoch wunderte er sich über die Offerte einer Stadthallen-Mitarbeiterin.
Hätten Sie Lust, eine Show bei uns zu moderieren?“
Eine eigene Show in der Stadthalle vor zirka zweitausend Zuschauern? Aber hallo! Bisher spielte Beppo Küster auf Gartenpartys, auf Dorffesten und Betriebsfeiern. Gewiss trat er auch schon bei einigen großen Events auf, doch so ein richtig großes Haus? Natürlich hatte er Lust!
Er durfte sogar den Plot schreiben, das Buch für die Show – sein Debüt. Die Show stellte einen weiteren Meilenstein in seiner Karriere dar, müsste dennoch nicht erwähnt werden, gäbe es da nicht die Story mit dem Kamel.
Die Show hieß „So ein Zirkus“. Für einen bestimmten Auftritt wollte Beppo Küster einen Elefanten haben. Trotz der Zirkus-Winterpause gelang es der Stadthalle nicht, einen Elefanten zu engagieren. Beim Staatszirkus der DDR gab es zwar welche, doch ein Staatsunternehmen hatte solche Muggen nicht nötig. Das sah auf der anderen Seite der Berliner Mauer anders aus.
Ein kleiner Privatzirkus in Westberlin, „Circus Alfons Spindler“, brauchte Auftritte sehr wohl. Der besaß zwar keinen Elefanten, dafür ein Kamel. Na gut, man bekommt eben nicht alle Wünsche erfüllt. Dann eben Ritt aufm Kamel, die Show konnte beginnen.
Das Kamel hieß Nadja, also ein Mädchen. Beppo wurde belehrt, vorsichtig zu sein. Wichtig: Kamele schlagen ohne Vorwarnung aus. So kräftig wie ein Pferd und blöderweise auch zur Seite. Nadja bekam zum Glück keine Chance ihn zu treten, weil sie den Befehl „DOWN“ (hinknien) befolgen musste, bevor Beppo aufsprang.
Wegen eines schnellen Umzugs lief Beppo im Laufschritt von der Hinterbühne um den Saal herum ins Foyer. Dort wartete das genervte Trampeltier. Beppo sprang hoch, schnelles Aufstehen. Tempo, Tempo. Nadja protestierte lautstark. Das gefiel ihr verständlicherweise nicht. Beim Hochkommen des Kamels musste Beppo sich mit aller Kraft an das Fell klammern, um nicht herunterzufallen, denn es gab weder Sattel noch Steigbügel, und dann ritt er rücklings zum Auftritt in den Saal.
Vielleicht fragt sich jemand, wo man ein Kamel mitten in der Stadt unterbringt? Ganz einfach: im Zirkuswagen. Dieser stand gleich neben der Stadthalle auf dem großen Parkplatz, direkt neben dem schicken Wohnmobil von Alfons Spindler, in dem die Künstler und Artisten nach den Veranstaltungen so manches Bierchen gluckerten. So auch an einem der letzten Tage. Da dauerte der Umtrunk bis weit nach Mitternacht. Plötzlich klopfte ein junger Mann an die Fensterscheibe des Wohnwagens.
„Was is‘n los? Willsten Bier?“
„Nein, aber euch haben sie gerade das Kamel geklaut.“
Hahaha. Genialer Gag. In der DDR haben sie nicht mal Autos geklaut. Wer klaute denn da ein Kamel? Wie kam der bloß auf diese Idee? Der aufmerksame, pflichtbewusste Nachbar zog schmollend ab und die Truppe lachte sich Tränen in die Augen. Herrlich, ein zu verrückter Spaß. Nur Alfons, der Besitzer des Kamels, wurde nun unruhig.
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass jemand das Kamel geklaut hat? Na, dann guck doch nach.“ Tatsächlich. Im Zirkuswagen gähnende Leere, kein Kamel mehr. Spurlos verschwunden. Das konnte doch nicht wirklich passiert sein! Aber Versteckte Kamera gab es im Osten nur im Westfernsehen.
„Okay, Leute. Wir teilen uns auf. Jeder geht in eine andere Himmelsrichtung.“ In solch brenzligen Situationen übernahm Beppo automatisch das Kommando.
Einzeln begaben sich die Expeditionsteilnehmer auf die Suche durch das nächtliche Cottbus, das zu dieser Zeit wie ausgestorben schien. Der Schock machte alle schlagartig nüchtern, auch Beppo. Er beteiligte sich natürlich auch an der Suche, obwohl es hier um ein großes Tier, um das Kamel Nadja ging, das ihn wegen des schmerzhaften Niederkniens auf dem Parkett und des Stresses hasste.
Gerade als er darüber nachdachte, was man wohl mit einem Kamel in Cottbus anfangen könnte, entdeckte er Nadja. Er traute seinen Augen nicht. Seelenruhig stand das Kamel vor einer Mauer, zusammen mit einem Mann, der es an der Leine hielt. Ungeniert entleerte sich der schwankende Dieb und brabbelte vor sich hin. Beppo erkannte unschwer, dass der Mann völlig betrunken war. Er erzählte etwas von „Frau abgehauen“ und „... scheiße“ und „sowieso alles Mist“. Gebrabbel. Ganz offensichtlich bedrückte ihn großer Kummer, der Mann brauchte einen Zuhörer und da nimmt man in der Not auch schon mal ein Kamel.
Kein Kollege in Rufweite, jeder suchte das Kamel in einer anderen Richtung. Was mache ich denn jetzt?, fragte sich Beppo. Von vorn kam er nicht an das Kamel heran, das stand mit dem Kopf zur Mauer. Von hinten oder von der Seite her traute er sich nicht. Er hatte die Lektion von Alfons gelernt, Kamele treten nach allen Seiten. Zögernd und ganz behutsam, mit ein paar Metern Abstand, sprach Beppo den Mann an. Unwirsch wies dieser ihn ab. Einen Gesprächspartner hatte er ja schon.
„Entschuldigung, aber das Kamel muss schlafen gehen.“
„Ahmischit wonacher nee.“
„Komm doch, mein Guter, ich bringe euch nach Hause.“ Endlich würdigte der Mann Beppo eines trüben Blickes. Ein Häufchen Elend. Nun begann er auch noch zu schluchzen. Er tat Beppo leid, aber Beppo sich selbst auch. Nachts Kamele suchen? Da gibt es um diese Zeit lustigere Spielchen. Vorsichtig fasste Beppo den Dieb an seinem Jackenärmel und zog ihn mit beruhigenden Worten sanft mit sich. Kein Widerstand. Vielleicht ließ es ihn kalt, ob und wohin die Karawane weiterzog. Schwankend, mehr Seitwärtsbewegung als vorwärts, folgte er. Langsam, sehr langsam. Vor dem Frühstück läge Beppo schon ganz gern noch im Bett und als wäre das Kamel ebenfalls müde und als wollte es zurück in seinen Wagen, nahm es jetzt Fahrt auf, das Wüstenschiff. Beppo zog am Ärmel, Nadja zog den Dieb an der Leine und so kam das Trio voran. Die Entfernung zum Zirkuswagen betrug nicht mal einen Kilometer, sie brauchten dennoch eine halbe Stunde.
Keiner erkannte dabei die Komik der Situation. Ein Bild für die Götter. Wie im Märchen klebte Beppo am Mann, der Mann klebte am Kamel, es fehlte nur noch die goldene Gans. So erreichten sie den Wohnwagen. Die Polizei, von Alfons Spindler alarmiert, traf gerade ein und Beppo übergab Entführer und Entführte. Alfons, der Besitzer des Kamels, verzichtete auf eine Anzeige, der arme Dieb hatte schon genug Kummer. Die Polizei nahm nur dessen Personalien auf und schickte ihn nach Hause.
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