Leseprobe
Im Haus der jungen Talente, Berlin, Klosterstraße gab es für Sänger und Tänzer die Möglichkeit der Weiterbildung. Bewegungs-, Tanz- und Stepp-Unterricht bei sehr guten Lehrern. Auch Helga Hahnemann trainierte dort. Erste Begegnung des Bewunderers Beppo Küster mit seinem Idol und Vorbild – zunächst nur aus der Distanz. 1982, also vor seiner Schlager-Karriere.
Helga Hahnemann, die von allen „Henne“ genannt wurde, kannte er bisher nur aus der Fernseh-Glitzerwelt. Deshalb hatte er eine bestimmte Erwartungshaltung. Doch völlig überrascht stellte er fest, wie uneitel sich dieser Star präsentierte.
Wer sich noch an die langärmligen und -beinigen schwarzen Einheits-Baumwoll-Gymnastikanzüge der DDR erinnert und sich dazu die Korpulenz der Hahnemann in einem solchen vorstellt, ahnt, dass Heidi Klum sie nicht unbedingt zum Germany‘s Next Topmodel küren würde. Jedenfalls nicht beim Balletttraining.
Und trotzdem. Selbst dieses hässliche Kleidungsstück konnte ihrer einzigartigen Ausstrahlung nichts anhaben. Sie schmiss sich beim Training voll ins Zeug, schwitzte, ackerte, wie Artisten und Tänzer, die hartes Training gewöhnt sind. Diese Frau strahlte eine unglaubliche Energie aus. Keine Starallüren, aber Präsenz und Selbstsicherheit.
Erst zwei Jahre später sah Beppo sie wieder. Beim ersten Auftritt der Hahnemann in der Hitparade Bong lernte er eine ganz andere „Henne“ kennen.
Eigenartig. Er bewunderte die Künstlerin aufrichtig, aber um der großen Kollegin offen seine Verehrung zeigen zu können, fühlte er sich zu unsicher. Stattdessen gab er sich cool. Schließlich war er jetzt auch schon ein bisschen populär, hatte bereits den Silbernen Bong gewonnen, trat schon mit Dagmar Frederic im „Kessel“ auf, moderierte die Silvester-Show.
Tja – so versucht ein unsicherer Mensch, sein Selbstbewusstsein zu stärken.
Das Publikum kannte Helga Hahnemann bisher als Schauspielerin und Moderatorin, doch nun ging sie mit Gesang, genauer gesagt mit Schlagern an den Start. Die Texte dafür schrieb ihre Autorin Angelika Gentzmer, die Musik komponierte Arndt Bause. Traumhafte Titel. Dadurch entstand eine Konkurrenzsituation, bei aller Verehrung.
Als die „Henne“ den Raum betrat, versuchte Beppo besonders gelassen zu wirken, um seine innere Angespanntheit zu überspielen.
„Hallo alle zusammen. Nanu? Beppo, bist du auch dabei?“ Der so Angesprochene hielt sich nur wegen seiner Musikredaktion-Freundin im Studio auf, das konnte die Hahnemann nicht wissen.
„Nein, ich bin nicht in der Sendung. Du sollst doch 'ne Chance haben.“ Ein Gag. Was denn sonst? Beppo hätte beim Publikum gegen die große Henne keine Chance gehabt. Das konnte doch auch Frau Hahnemann nur als Gag verstehen?!
Aber sie lachte nicht. Ihre Mimik wie versteinert, Beppo erschrak.
„Der Gag war jetzt wohl nicht so gut?“
„Nee, der war nicht so gut“ antwortete sie ernst und jetzt spürte er, wie verletzlich dieser „Haudegen“ sein konnte. Da half nur eins: Ehrlichkeit. Er ging auf die Henne zu, reichte ihr die Hand.
„Ich freue mich, dass ich dich mal persönlich kennenlerne, weil – ich bin ein echter Fan von dir und schon neugierig auf deinen Song. Ich weiß, du wirst das super machen.“ Sie blickte ihm direkt in die Augen, mit einem stolzen, aber noch verletzten Blick. Prüfte.
Beppo meinte es ehrlich, das spürte sie. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich ins Sympathisch-ironische.
„Du bist ein Fan von mir? Kann ich verstehen! Gib mal ´ne Zigarette, du dünnes Kerlchen.“ Die erste direkte Begegnung wurde für Beppo eine „Liebe auf den ersten Blick“.
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