Irgendwann werden die Menschen mit dem Begriff DDR nichts mehr anfangen können. Dann müssen sie googeln: DDR – Deutsche Demokratische Republik. Gegründet zu Stalins Zeiten. Eigentlich hätte DDR auch Abkürzung für Deutsche Diktatorische Republik sein können. Aber das wäre Glasnost und nicht stalinistisch gewesen.
Rein geburtsmäßig ist der spätere DDR-Entertainer ein Wessi. Er erblickte bei den „Imperialisten“ in Flensburg das Licht der Welt, weil seine Mutter, dort beheimatet, bei ihrer Mutter gebären wollte. Folglich musste sein Vater, damals Konzertmeister am Stendaler Theater, zwecks Familienzusammenführung aus der DDR mal kurz ausreisen. Das ging damals noch problemlos, weil da die einzigen Mauern, die nach dem Krieg in Deutschland in die Luft ragten, zu ehemaligen Wohnhäusern gehörten.
Als er seinen Sohn das erste Mal sah, meinte er: „Der sieht ja aus wie so‘n kleiner italienischer Straßenjunge.“
Im Krieg diente sein Vater auch in Italien. Dort hieß jeder dritte Junge Beppo, Kurzform von Giuseppe. So bekam er seinen Spitznamen, der später sein Künstlername wurde. Ein paar Wochen nach Beppos Geburt ging es ab in den Arbeiter- und Bauern-Staat. Dadurch verpasste er zwar das westdeutsche Wirtschaftswunder, erlebte aber dafür den ostdeutschen Kessel Buntes.
Für die Spielzeit 1949/50 engagierte die Intendanz des wunderschönen Jugendstil-Theaters in Cottbus seinen Vater als Konzertmeister. Er blieb in dieser Funktion bis zu seiner Rente. Und in dieser Stadt ist Beppo aufgewachsen.
Witzigerweise mit der Adresse STALINpromenade Nr. 3. Ist das nicht krass! Erst 1961, acht Jahre nach Stalins Entmachtung (was nur dessen eigener Tod schaffte), benannte man die Straße um in Stadtpromenade. Den Machtwechsel durch Umbenennung hatte man in Cottbus verpennt, obwohl doch sonst ganz streng in solchen Dingen. Zum Beispiel wenn es darum ging, dass der Staatsbürger zu DDR-Feiertagen wie dem 1. Mai oder dem 7. Oktober seine Fahne aus dem Fenster hängte. Die Botschaft: Die Partei hat immer Recht. Die meisten flaggten einfach mit, gelassen, wie schon tausend Jahre vorher auch.
Als Fahnenstange verwendete Beppos praktisch veranlagte Mutter den doppelt genutzten Bohnerbesen, weil an Feiertagen bei Küsters niemand bohnerte. Dieses Reinigungsutensil eignete sich wegen des Gewichts an der Bürste als Stiel für die Flagge besonders gut. Mit Draht zurrte die Mutti die Besen-Fahnenstange an den Blumenkästen des Balkons fest und so flatterte die demonstrative Staatstreue zu Ruhm und Ehre der DDR am Haushaltsgerät. Das passte.
Auch Beppos Mutter lernte unter dem Führer des Dritten Reiches beim Jungmädelbund rechtzeitig Diktatur. Folgerichtig hing in der DDR immer pünktlich die Fahne am Balkon. Doch eines Tages klingelte es Sturm an der Wohnungstür, dann klopfte es derb. Der zwölfjährige Beppo öffnete verwundert. Vor der Wohnungstür standen zwei auffällig-unauffällige Typen. Barsch fragten sie nach den Eltern. Sind nicht da! Wenn sie wiederkommen, sollten sie sofort die Staatsfahne der Bundesrepublik Deutschland einholen. Wie? Was? Fahne einholen? Ja, ja.
Seit 1959 galten in der DDR Hammer, Zirkel, Ährenkranz als offizielles Staatswappen, auch auf der schwarz-rot-goldenen Staatsflagge. Aber noch am 7. Oktober 1962 flaggte seine Mutti Schwarz-Rot-Gold ohne Emblem, und somit die Staatsflagge der BRD. Skandal! Und das in der Zeit der Kuba-Krise. Der Kalte Krieg brannte heiß. Da musste auch ein Cottbuser Polizeichef der Bürgerin zeigen, wo der Hammer hängt. Nämlich im Emblem der Staatsfahne der DDR.
Beppos Mutter musste wegen der falschen Staatsfahne zur Polizeizentrale. Mit einem unschuldigen Lächeln verwies sie beim Cottbuser Beamten charmant auf die Verzögerung bei der Umbenennung der Stalinpromenade, da wäre ihr Versäumnis mit der Fahne doch vergleichsweise unbedeutend. Aber sie würde das sofort ändern.
Doch Geld für eine neue Fahne ausgeben? Nein! Für die Nachkriegs-Mutti gab es nur eine Lösung. Sie kaufte das Stoff-DDR-Emblem und nähte es mit ihrer alten Singer-Nähmaschine auf die BRD-Staatsflagge. Die so entstandene DDR-Fahne mit schief aufgenähtem Emblem sah gewöhnungsbedürftig aus. Die Rechtfertigung von Beppos Mutti: „Nicht so wichtig. Russen gegen Amis und wir mitten drin, da werden noch ganz andere Sachen schiefgehen. Hauptsache kein Krieg mehr, dafür hänge ich jede Fahne raus.“
3 KOMMENTARE
lisa.pegel@gmx.netam 02.08.2016
Lieber Beppo, ich freue mich schon die ganze Zeit auf Dein Buch!!! Es endlich in den Händen halten und ganz gemütlich auf der Couch lesen, lachen und schmunzeln - und erinnern! Schön das ich es hier schon mal "kosten" kann:-) Liebe Grüße, Lisa
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beppoam 03.08.2016
Es wird leider noch bis Anfang September dauern. Es ist unglaublich wie viel Arbeit das macht. Im Moment ist der Probedruck des Buches zum Abschluss-Lektorat.
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lisa.pegel@gmx.netam 15.08.2016
Ich warte gern! Du weißt: Vorfreude ist die schönste Freude!! :-)
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