Anfang der 70er wurde in der DDR eine Behauptung verbreitet. Bananenautomaten sollten aufgestellt werden. Und Beppo war das typische, staunende Opfer:
„Ehrlich?“, bis er den Witz bemerkte.
„Steckst ‘ne Banane rein, kommt ‘ne Mark raus.“ Heute ist das vielleicht nicht mehr lustig, aber ein Beispiel für seine damalige Naivität. Die ist Berufsvoraussetzung, aber andrerseits ein schwingendes Pendel, zwischen Kindlichkeit, Leichtgläubigkeit bis hin zur Arroganz.
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Jahrzehnte später bewies sich der Schlagersänger selbst: Naivität kann sogar zur Selbstüberschätzung führen. Das neue Lied von Beppo Küster hieß Superfotograf. Im Radio rauf und runter gespielt, wurde es sein zweiter Hit. Die zwischenmenschliche Beziehung zur Bong-Musikredakteurin schadete auch nicht dabei, dass die Redaktion nach dem Erfolg seines ersten Hits, beschloss, auch Superfotograf in die Sendung zu nehmen.
Harald Becker, der Regisseur der DDR-Hitparade, schlug folgende Idee für die Umsetzung vor: Beppo sollte singend in jedem Refrain aus einer anderen Perspektive fotografieren, aus einem Gully, zu ebener Erde und die dritte aus luftiger Höhe. Beppo war sofort Feuer und Flamme.
Doch als er hörte, er solle nur einen kleinen Heizhaus-Schornstein besteigen, insistierte er auf richtige Größe.
„Ich will einen Knaller. So was wie einen Kühlturm. Es gibt welche, die sind über hundert Meter hoch. Alles andere ist Pillepalle.“
Entweder hatte der Regisseur Becker kein Verständnis dafür, dass Künstler hoch hinauswollen, oder es gab schlicht keinen Kühlturm in der Nähe. Jedenfalls entschied er, der Schornstein wird es sein. Basta! Schmollend fügte sich die Diva.
Dreh unter der Woche nach dem Mittagessen. Kameraleute, Assistenten, Aufnahmeleitung, Maske, Redakteur, Regie, Regieassistentin, Techniker. Mitte der 80er brauchte man für solche Aufnahmen noch einen ganzen Drehstab mit zwei kleinen Bussen, die mobilen Studios für Bild und Ton, und entsprechende Techniker. Alles nur, um einen Refrain aufzuzeichnen. Alle standen nun vor dem zweiundzwanzig Meter hohen Schornstein. Auch Beppo. Allerdings mit dem Unterschied: Er musste die über sechzig eingemauerten Eisenbügel hinaufklettern.
Völlig fassungslos, als stünde er vor dem Washington Monument, dem Obelisk in der US-Hauptstadt, starrte er nach oben. Man spürte förmlich, wie klein sich der „große" Künstler schlagartig fühlte. Die Vorstellung, den Schornstein zu erklimmen, machte ihm nun Angst. Sein bleiches Gesicht verriet ihn.
Zehn Festangestellte des DDR-Fernsehens warteten mit Blick auf den nahen Feierabend auf das Ende seiner Schockstarre. Erhöhter psychischer Druck ist nicht gerade zielführend, wenn sich eine Blockade lösen soll.
Um Gottes Willen, warum tue ich mir das an? Der Bong-Regisseur Harald, berüchtigt als harter Kerl, wenn es darum ging, sein Drehteam durch die Gegend zu scheuchen, zeigte Mitgefühl. Er trat von hinten an Beppo heran, legte die Hand auf dessen Schulter und sagte mit väterlichem Ton:
„Beppo, wir nehmen dir das nicht übel, wenn du kneifst." Wie bitte? Kneifen? Wenn Stolz und Angst im Körper unseres Künstlers zu einem Battle anträten, wäre Angst so gut wie platt. Vielleicht spielte Harald Becker das Mitgefühl auch und er verstand einfach nur zu motivieren?
„Ich mache es natürlich.“ Botenstoffe schossen Beppo ins Blut. Kaum schütten die Drüsen Adrenalin ins Blut, wird die für Angst zuständige Amygdala abgeschaltet. Nicht lange fackeln, los geht’s. Musik ab, Ton ab, Kamera läuft. Mit einem Lächeln sprang Beppo behände auf die erste Stufe und kletterte die nächste hoch.
„Stopp! Seid ihr verrückt?“, ein älterer Tonassistent unterbrach die Aufnahme. Hallo? Ein Assi unterbrach die Aufzeichnung. Wo gab es denn so was? Pikiert schaute der Regisseur Becker, ein Mittdreißiger, auf den Fast-Rentner.
„Ihr dürft den doch nicht ohne Sicherungsseil hochsteigen lassen. Das wäre Wahnsinn.“
Dieser Empfehlung konnte man zugunsten der künstlerischen Vielfalt der DDR nicht widersprechen. Der Sänger hatte ein gewisses Alleinstellungsmerkmal und ohne Sicherung bestünde die Möglichkeit, tödlich abzustürzen.
Beppo kam die drei Stufen wieder runter. Sie schnallten ihm einen Gurt mit Karabinerhaken um, damit er sich im Falle einer Ohnmacht schnell einklinken könnte. Dabei sprach ihm der Regisseur Mut zu.
„Alles gut. Da kann doch eigentlich nichts passieren. Das macht doch jeder Schornsteinfeger.“
„Na ja, aber der muss dabei ja nicht singen. Und was soll ich tun, wenn ich ohnmächtig werde?“
„Nicht schlimm, den Titel singst du doch im Schlaf.“
Beppo musste lachen. Galgenhumor.
1 KOMMENTAR
lisa.pegel@gmx.netam 02.08.2016
Das singe ich auch immer, wenn ich mit meiner Kamera unterwegs bin :-) ;-) Dann ist es der Ohrwurm des Tages!
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